Kaffeesensorik oder wie schmecke ich Kaffee richtig?

Kaffee richtig riechen und schmecken

Heute ein kleiner Erfahrungsbericht zum Thema "richtig Kaffee schmecken". Im Rahmen des Berlin Coffee Festivals ging es zum Kaffeesensorik Workshop in die Berliner Rösterei The Barn. Als leidenschaftlicher Probierer nahm ich Gelegenheit sofort wahr, ein spezielles Seminar besuchen zu können, um mein Wissen über Kaffee zu vertiefen und natürlich gute Kaffees zu verkosten. 

 

Der Ort - The Barn Coffee Roasters

Kaum ein anderer Ort in Berlin spaltet so sehr wie die Kaffeerösterei The Barn. Für die Einen ist es ein Hipster-Schuppen mit überhöhten Preisen und aufgesetzter Attitüde, wo nur Englisch gesprochen wird und keine Kinderwagen erlaubt sind. Für die Anderen ist es ein Ort mit leidenschaftlichen Kaffee-Verrückten, die die besten Kaffees der Stadt rösten und verkaufen. 

 

Kaffeesensorik: Warum ist es wichtig?

Bei der Kaffeesensorik geht es darum, Kaffee mit Hilfe des Geschmacks- und Geruchssinns zu bewerten. Diese sensorische Prüfung ist in der Kaffeebranche die wichtigste Methodik der Qualitätsprüfung. Alle Kaffeeimporteure und größere Röstereien beschätigen Qualitätsmanager, die täglich Kaffee schlürfen, um diese sensorisch zu prüfen. Denn der menschlichen Zunge bzw. dem Geruchssinn ist keine Maschine gewachsen. Man muss diese mächtige Fähigkeit nur etwas schulen und schärfen. 

Auch im privaten Bereich ist es hilfreich, mehr der Sensorik zu folgen. Stellen Sie sich vor, wenn Sie nicht mehr so sehr auf Siegel, Bewertungen oder anderen externen Quellen achten müssen, um die Qualität eines Produkts festzustellen, sondern einfach der eigenen Zunge vertrauen können! 

Kaffee-Seminar:

Zurück zum Seminar bei The Barn. Aufgrund des Coffee Festivals nahmen mehr als 20 Teilnehmer aus der ganzen Welt am Seminar teil. Wie ich nach und nach herausfand, waren die meisten aus der Kaffeebranche. Das Seminar umfasste drei Teile: Geruchstest, Geschmackstest und Kaffee-Verkostung.

1. Geruchstest:

Zuerst konnten wir an zehn Schälchen riechen, in denen sich Lebensmittel befanden, deren Aromen typisch für Kaffee sind, wie z.B. Schokolade, Nüsse, Zitrone und Himbeere, bzw. Aromen, die man nicht im Kaffee möchte, wie z.B. Essig. Auf der anderen Seite des Tisches waren die gleichen Produkte in zugedeckten Schälchen. Wir mussten nun diese Schälchen anhand des Geruchs den anderen zuordnen. Bei den meisten war es einfach, aber die Unterschiede zwischen Zitrone und Limone sowie Milchschokolade und dunkler Schokolade mit der Nase festzustellen, waren schon ein Herausforderung.   

Wie uns der Seminarleiter mitteilte, ist die Geruchsprüfung besonders für Einkäufer von Kaffee bei den Importeuren und Röstereien wichtig, da man hiermit Fehler (z.B. holzige Noten oder Essigsäure) bzw. die Qualität des Kaffees (ausgeprägte, komplexe Aromen) bestimmen kann. 

2. Geschmackstest:

Für den Geschmackstest standen 15 Schälchen mit einer wässrigen Lösung auf einem anderen Tisch. Wie wir herausfanden, waren diese so präperiert, dass jeweils drei Schälchen sauer, süß, salzig, bitter und umami schmeckten - also die fünf Geschmacksrichtungen, die von den Geschmacksknospen auf der Zunge wahrgenommen werden können. Jede dieser fünf Geschmäcker war in drei Intensitätsstufen vorhanden: schwach, mittel und intensiv. Wir mussten uns durch die Schälchen probieren und bei jedem den Geschmack und die Intensität feststellen. 

Die Geschmacksprüfung wiederum ist besonders wichtig für Baristas, also für die Leute, die den Kaffee zubereiten. Denn durch eine fehlerhafte Extraktion kann ein Kaffee z.B. zu sauer schmecken, oder bei einem falschen Verhältnis von Kaffeepulver und Wasser kann er zu bitter werden.  

Kaffee-Cupping im The Barn Kaffeerösterei

 3. Kaffee probieren: Das Cupping

Nach diesen zwei Grundlagentests, die wichtig für die Schulung und die Schärfung der Sinne sind, ging es nun in die praktische Prüfung der Kaffees. Das analytische Verkosten von Kaffees wird in der Szene "Cupping" genannt. (Einen ausführlichen Artikel zum Cupping findet sich hier.) Profis achten beim Cupping penibel darauf, immer die gleichen Parameter für das Aufbrühen des Kaffees zu benutzen: sprich die gleiche Wassertemperatur, den gleichen Mahlgrad und das gleiche Verhältnis von Kaffeemehl und Wasser. 

Meine Überzeugung, dass guter Kaffee besser lauwarm als ganz heiß schmeckt, wurde vom Seminarleiter bestärkt. Er wartet normalerweise bis zu 20 Minuten nach dem Brühen, bis er die Kaffees probiert. Die hohe Hitze sorgt dafür, dass man die Aromen im Kaffee nicht besonders gut wahrnehmen kann. Zudem sollte man unbedingt den Kaffee nach verschiedenen Zeitintervallen probieren, da sich der Geschmack des Kaffees mit abnehmender Wärme verändert.

Die vier von uns verkosteten Kaffees kamen je zwei Mal aus Äthiopien und Guatemala. Da Kaffees aus den beiden Ländern auch im TRY Kaffee Probierset enthalten sind, erkannte ich einige Geschmacksmuster wieder. Einer der Kaffees im Cupping war zudem auch ein sogenannter "natural" (trockenaufbereiteter) Kaffee, bei dem man die typischen sehr reifen (bzw. fermentierten) Noten sehr deutlich herausschmeckte.  

Wie viele Spezialitätenröstereien benutzt The Barn sehr genaue Beschreibungen für den Geschmack ihrer Kaffees. So wird ein äthiopischer Kaffee mit folgenden Worten beschrieben: "Nektarine, Jasmin, üppig". Wichtig zu beachten aus meiner Sicht ist, dass es sich um eine subjektive Beschreibung handelt, die man nicht als einzige "Wahrheit" hinnehmen sollte und sich nicht einschüchtern sollte, wenn man nicht genau das gleiche schmeckt. Vielmehr sind die Begriffe eher Hilfestellungen, in welche Richtung die Aromen gehen. Nektarine deutet auf spritzige Noten von gelb/orange-farbigen Früchten hin, Jasmin (typisches Aroma für äthiopische Kaffees) zeigt blumige Noten und "üppig" meint den Charakter des Kaffees, also vollmundig und komplex. 

Professionelle Verkoster bewerten Kaffees auf einer Skala von 1-100. Hier gibt es ausgebildete Prüfungsstellen, die die Punktzahl für die Rohkaffees festlegen und somit den Preis für den Kaffee im internationalen Handel bestimmen. Kaffees, die von The Barn eingekauft werden, müssen immer mit über 85 Punkte bewertet sein. Dies ist das Hochpreissegment im Kaffee. Die Kilopreise liegen hier um ein Vielfaches über den Kaffees, die in Supermarktregalen stehen. Immer mehr Kaffeebauern weltweit achten auf den Anbau und die Ernte qualitativ hochwertiger Bohnen, da sie dank des wachsenden Spezialitätenmarktes höhere Preise erzielen können. Somit bleibt also auch den Bauern am Ende des Tages mehr Geld im Portemonnaie. 

Mein Fazit: 

Das Seminar war eine interessanter Mix aus Aufrischung einiger Fakten, die ich bereits bei anderen Gesprächen und Verkostungen gelernt habe und einigen neuen Einblicken in die Welt der Kaffeesensorik. Da auch ich nur alle paar Monate Kaffee-Verkostungen mache, ist es ermutigend für mich gewesen, dass man auch mit dieser recht überschaubaren Erfahrung sehr gut Kaffees bewerten und für sich definieren kann, welchen Geschmack und welche Aromen man im Kaffee bevorzugt. 

In diesem Sinne, bleiben Sie neugierig!

Ihr
Jörn Gutowski
Gründer, TRY FOODS