Wie wird Wermut hergestellt?

credit @thenomadbrodie


Nicht nur der Geschmack von Wermut ist vielschichtig und komplex, sondern auch die Herstellung. Jeder Produzent, der etwas auf sich hält, hat seine ganz eigene Herangehensweise und meist bleiben mindestens einige Schritte und Zutaten geheim. Trotzdem möchte ich versuchen, ein wenig Licht in die Produktionsprozess zu bringen und euch die wichtigsten Aspekte näherzubringen. Denn so versteht man den Geist von Wermut (oder Vermouth, Vermout oder Vermut) besser. 

Wie bei anderen alkoholischen Getränken gibt es auch für Wermut eine eigene EU-Verordnung. So müssen alle Wermuts folgendes befolgen:

  • mindestens aus 75% Wein bestehen.
  • der zugesetzte Alkohol muss landwirtschaftlichen Ursprungs sein.
  • das charakteristisches Aroma muss durch Verwendung geeigneter, aus Artemisia-Arten (Wermutkraut) gewonnener Stoffe entstehen
  • Als Süßungsmittel sind alle möglichen Zuckerarten, Traubenmost oder Honig zugelassen
  • Zur Aromatisierung können natürliche Aromastoffe und/oder Aromaextrakte benutzt werden. 


Die Herstellung von Wermut lässt sich grob in diese fünf Schritte unterteilen.


1. Schritt: Der Wein

Meist werden für Wermut fruchtige Weißweine genommen. Klassische Rebsorten sind u.a. Muskateller (in Norditalien), Macabeo (in Nordspanien) oder besonders in Deutschland Riesling. Oft werden auch Cuvees genommen. Einige Produzenten lassen ihre Weine in Holz reifen, andere verwenden sie relativ jung. In Südfrankreich oder auch in Südspanien werden auch oxidierte Weine (also Weine, die mit Sauerstoff in Kontakt kamen) benutzt.

Sehr oft sind Wermutproduzenten Winzer, die ihre eigenen Weine vergären, während Nichtwinzer fertige Weine für ihren Wermut einkaufen. Für ihren „Berliner“ Wermut Znaida kauft z.B. die Gründerin Silvia Schneider verschiedene Weißweine aus dem Piedmont ein und lässt aus dem Cuvee ihren Wermut herstellen.

Es gibt übrigens kaum Wermut, der aus Rotwein gemacht werden. Die Aromatik vieler Rotweine und die Tannine passen nur schwerlich in das Geschmacksbild eines klassischen Wermuts. Eine Ausnahme bildet der rote Wermut von Heiko Hoos. Er benutzt einen leichten Spätburgunder für seinen Wermut.

credit: Matthew Henry

2. Schritt: Der Alkohol

Wermut hat mit 14,5% – 21,9% etwas mehr Alkohol als normaler Wein. Der zugesetzte hochprozentige Alkohol dient als Geschmacksverstärker. Zum Einen intensiviert Alkohol generell Aromen zum Anderen wird der hochprozentige Alkohol genutzt, um die Botanicals einzulegen. Einige Hersteller nutzen den Alkohol auch um die Vergärung des Weines zu stoppen und so mehr Restüße im Wein zu erhalten.

Den Vorgang Wein mit einem Alokohl zu mischen wird als „aufspriten“ bezeichnet. Andere aufgespritete Weine sind übrigens Portwein oder Sherry.

 

3. Schritt: Wermut und andere Botanicals

Der Namensgeber, das Wermutkraut, ist die wichtigste Zutat. Wermutkraut schmeckt sehr bitter und leicht herzhaft. Um diesen Kern herum baut sich die Aromatik des Getränks auf, die der Hersteller durch den Einsatz weiterer aromatische Auszüge aus pflanzlichen Stoffen steuern kann. Als Obergriff nimmt man gern den englischen Begriff Botanicals, den alle Gin-Liebhaber sehr gut kennen, unter den man Wurzeln, Kräuter, Gewürze oder Fruchtschalen versteht.

Die meisten Produzenten legen die Botanicals in hochprozentigen Alkohol ein, ein Prozess der Mazeration genannt wird. Dieser Prozess kann je nach eingesetzten Botanicals bis zu mehreren Woche dauern. Einige Produzenten legen die Botanicals anstatt in hochprozentigen Alkohol in den für den Wermut vorgesehenen Wein ein, was deutlich mehr Zeit benötigt. Zudem werden weniger Aromen extrahiert, da Wein weniger Alkohol besitzt und Alkohol für die Extraktion notwendig ist.

Wie in der EU-Verordnung beschrieben muss eine Sorte des Wermutkrauts (meist Artemisia Absinthium) als Botanical zwangsläufig benutzt werden und dem fertigen Wermut den charakteristischen Geschmack geben. 

Daneben hat jeder Produzent die Freiheit mit weiteren Botanicals zu experimentieren und seine ganz eigene Zusammenstellung zu finden. Sehr gern werden Fruchtschalen (vor allem Zitrusfrüchte we Zitrone oder Bitterorange), Kräuter (Wacholder, Salbei), Gewürze (Zimt, Kardamom) oder Bitters (Enzian, Angelikawurzel) verwendet. Oft werden deutlich mehr als 30 verschiedene Botanicals eingesetzt, so dass aromatisch komplexe Geschmacksbilder entstehen.

Wer sich von euch schon mal mit den Zutaten von Gin beschäftigt hat, wird feststellen, dass sich viele dieser Botanicals auch in Gins wiederfinden. Kein Wunder, dass Wermut und Gin so wunderbar harmonieren und in vielen klassischen Cocktails zusammen vorkommen. 

 

Botanicals im Wermut

4. Schritt: Süßungsmittel

Hier wird vor allem Zucker genommen. In weißen Wermutsorten nimmt man normalen Zucker, während in den meisten roten Wermutsorten karamellisierter Zucker benutzt wird. Zusätzlich benutzen Produzenten auch konzentrierten Traubenmost zur Süßung. Es gibt allerdings kaum jemand, der komplett auf Zucker verzichtet. 

 

 

5. Schritt: Mischen, Filtern, Lagern

Nachdem Wein, Alkohol und Botanicals zusammengefunden haben, wird der Wermut mehrmals gefiltert und gekühlt. Zum Abschluss darf der fertige Wermut noch lagern, damit sich alle Komponenten zu einem harmonischen geschmacklichen Gesamtbild zusammenfinden können. 

Klassischerweise wird Wermut nicht in Holzfässern gelagert oder gereift, sondern nach einer kurzen Zeit im Edelstahltank in Flaschen abgefüllt. Es gibt aber auch hier einige Experimente. So hat z.B. der österreichische Produzent Burschik's einen im Barrique gereiften roten Wermut im Programm. 

Wie ihr seht, hat jeder Produzent viele Stellschrauben, wie er seinen Wermut einzigartig machen kann. Wenn ihr mehr über den Geschmack von Wermut erfahren wollt, könnt ihr das in diesem Artikel nachlesen. 

In diesem Sinne bleibt neugierig!

Euer
Jörn Gutowski
Gründer, TRY FOODS