Sherry Sherry Lady

Ich weiß, es ist albern, aber ich muss bei Sherry immer gleich an den Modern Talking Song "Cheri Cheri Lady" denken.

Vielleicht kommt es daher, dass ich auch mit Sherry die 80er Jahre assoziere. Ich sehe eine Gruppe älterer Damen vor mir, die vor dem Abendessen einen gepflegten Sherry aus kleinen Kristallgläsern schlürfen. 

Aber damit wird man dem Klassiker aus dem Süden Spaniens natürlich nicht gerecht. Wie andere aufgespritete Weine - auch Likörweine genannt - die vor einigen Jahrzehnten sehr beliebt waren (Portwein, Vermouth, Marsala, Madeira), versucht auch Sherry gerade wieder einen Neueinstieg in die Getränke-Charts. Und mein Tipp ist: Die Chancen stehen dafür höher als für ein Modern Talking Comeback! 

Social Sherry Tasting 

Ich hatte noch bis vor einigen Jahren meist eine Flasche trockenen Sherry bei mir stehen, den ich manchmal als Aperitif oder meist zum Kochen benutzte. Aus irgendeinem Grund ist Sherry aber auch bei mir seit einiger Zeit aus meinem Bewusstsein gerutscht, obwohl ich ihn irgendwie mochte. Deshalb war ich gespannt, als ich von der Initiative "#SocialSherryTasting" des Sherry-Produzenten Verbundes hörte, die in Deutschland interessierte Tester suchten. Als Tester bekam ich vor kurzem einen großen Karton mit sechs Flaschen Sherry von kleinen, unbekannten und großen, bekannten Produzenten. Die Sorten zeigen einen Querschnitt durch die Sherry-Geschmackswelt von salzig-apfelig-trocken bis ledrig-süß-sojasoßig.

Herstellung von Sherry

Im beiliegenden Booklet erhielt ich einige Informationen zur Herstellung und möglichen Food-Pairings der Sherrys (das Konzept hört sich irgendwie bekannt an...;-). Als sehr kritischer Leser hatte ich zwar einiges an der Aufbereitung der Informationen zu mäkeln, aber trotzdem lernte ich einiges wie z.B., dass man Sherry-Weine in fünf verschiedene Stile teilt: 

1. Fino (auch Manzanilla genannt) ist der trockenste Stil. Der Sherry ist strohgelb wie ein Weißwein und hat mit 15% auch nicht mehr Alkohol als ein schwerer Wein. Der Sherry reift unter einer Hefeschicht, die dafür sorgt, dass der Sherry-Wein unter Ausschluss von Sauerstoff reifen kann und so nicht oxidiert. Im Set waren zwei verschiende Vertreter des Stils vorhanden. 

2. Amontillado: Dieser Sherry reift zuerst ebenfalls unter der Hefeschicht, später dann aber auch mit direkten Sauerstoffkontakt. Durch die leichte Oxidation verfärbt sich der Sherry und bekommt sein bernsteinfarbenes Aussehen. Der Alkoholgehalt kann zwischen 16-22% liegen. Geschmacklich soll er rund sein und an Nüsse erinnern. Traditionell ist er immer trocken, es gibt aber wohl auch kommerzielle Marken, die ihn als halbtrockenen Sherry verkaufen. Da dieser Stil nicht im Set enthalten war, kann ich kein Urteil abgeben. 

3. Palo Cortado: Dieser sehr seltene Stil war ebenfalls nicht im Set vorhanden, weshalb ich auch hier nichts zum Geschmack sagen kann. Beim Palo Cortado gibt ebenfalls die gemischte Reifung wie der Amontillado (unter Hefe und mit Sauerrstoffkontakt). Dieser Sherry mit 17-22% ist immer trocken und sein charakteristischer Geschmack soll an Haselnüsse erinnern. 

4. Oloroso: Oloroso heißt "wohlriechend". Dieser Stil reift komplett oxidativ (also unter Sauerstoffkontakt). Er wird deshalb auch mahagonibraun. Die Aromen sind durch diese Reifung auch sehr komplex und können an Leder, Toffee und Gewürze erinnern. Auch dieser Sherry Stil hat 17-22% Alkohol. Dieser Stil war im Set vertreten.

5. Cream: Während die vier bisher aufgezählten Stile komplett aus der Weinsorte Palomino hergestellt werden, ist der Cream ein Verschnitt aus Palomino und Pedro Ximenez Trauben. Letztere geben dem Sherry eine deutlich süße Note. Wie der Name Cream schon sagt, hat dieser Sherry Stil eine cremige Konsistenz und ist sehr samtig. Auch dieser hatte einen Vertreter im Set. 

6. PX ist die Abkürzung für Pedro Ximenez und gleichzeitig der Name für einen Sherry Stil. Die Trauben werden nach der Lese in der Sonne getrocknet, sodass die Zuckerkonzentration ansteigt. Der PX kommt dadurch komplett auf die Zugabe von Zucker aus. Die Farbe ist fast schwarz und die Konsistenz die eines Sirups. Er kann nach Trockenfrüchten, Schokolade, Lakritze und Kaffee schmecken. PX war der sechste und letzte Vertreter im Tasting Set. 

 

Die Sherry Verkostung 

Am Ende eines Arbeitstages setzten wir uns zu dritt hin und probierten gemeinsam die Sherrys durch. Die Meinungen gingen dabei sehr auseinander. Mir schmeckten die trockenen Sherrys am besten, während meinen Mitarbeiterinnen eher die süßeren zusagten. Aber der Reihe nach:

1. Tio Pepe: Der Fino riecht nach Hefenoten, Marzipan und grünem Apfel. Er schmeckt sehr trocken, fast salzig und hat knackig grüne Apfelnoten. Gerade der Abgang spaltet unsere Verkostungsgruppe; einigen ist er zu sauer und erinnert sie etwas an aufgestoßene Magensäfte.  

 2. Delgado Zuleta: Ebenfalls ein Fino (bzw. Manzanilla). Dieser Sherry ist biozertifiziert, was bei Sherrys anscheinend eine große Ausnahme ist. Er riecht nach unreifer Mandel. Im Mund merkt man zuerst eine deutliche Säure, die sich dann legt und von fruchtigen, leicht süßlichen Noten abgelöst wird. Ein schöner, komplexer Sherry, der mir persönlich sehr gut schmeckte! 

3. Barbadillo: Der Oloroso-Stil ist eine aromatische Offenbahrung, der aneckt und der ebenfalls unsere Verkostungsrunde entzweite. Einigen schmeckten die Umami-Noten, die an Sojasoße erinnern, überhaupt nicht. Mir schon! Die Umami-Noten stehen auch nicht allein, sondern werden von fruchtigen Noten begleitet. Und der Sherry ist überraschend trocken! Mit diesem Sherry möchte ich auf jeden Fall weiter experimentieren. 

 4. Dry Sack Sherry: Der Sherry ist ein Blend aus Palomino und Pedro Ximenez Trauben. Ich kann basierend auf der bereit gestellten Infomationen nicht genau sagen, welcher Sherry-Stil dies ist. Geschmacklich ist der Dry Sack meiner Meinung eher langweilig. Er ist ein everybody's darling, dem keinem wehtut. Er ist nicht zu trocken, nicht zu süß, aber dabei auch charakterlos. 

5. Harvey's Bristol Cream: Dieser Sherry ist für mich der Inbegriff der 80er Jahre. Schon die blaue Flasche schreit 80er! Die Bristol Cream schmeckt süß und hat eine sehr cremige Konsistenz. Für mich ist es etwas zu viel, aber der Abgang ist angenehm fruchtig und entschädigt etwas. Ich könnte mir diesen Sherry auf Eis mit Zitrone und vielleicht etwas Mineralwasser als Sommergetränk vorstellen. 

6. Pedro Ximenez 1827: Dieser PX aus dem Global Player Osborne ist irre. Er ist fast schwarz und extrem dickflüssig. Der Geschmack erinnert an Feigen, Kaffee und süßer Sojasoße (Kennen Sie Ketsup Manis aus Indonesien? Diese Assoziation hatte ich sofort). Dazu kommen Fassnoten. Der Geschmack ist schon irre. Mir ist er etwas zu süß und klebrig, aber die Aromen sind unvergleichbar. So etwas habe ich vorher noch nicht getrunken. Und ich mag neue Geschmackserlebnisse! 

 

Food Pairing mit Sherry

Sherrys besitzen oft ein interessantes Zusammenspiel aus Süße und Säure, zu denen beim Oloroso und PX auch Umami-Noten (wie in einer Sojasoße) hinzukommen. Wahrscheinlich bin ich nicht der einzige, der hier gleich an asiatische Küche denkt. 

Für ein leichtes vietnamesisches Essen (Rindfleisch, rohes Gemüse und Kräuter mit einem süß-saurem Dressing über Reisnudeln) habe ich bereits einen Fino verwendet. Die im Gericht benutzte Fischsoße schafft den Bezug zum leicht salzigen Aroma und der Reisessig zum trockenen Charakter dieses Sherrys. 

Als nächstes werde ich den Oloroso mit einem Teriyaki-Gericht probieren. Ich bin gespannt, wie das funktioniert! 

 

Bleiben Sie neugierig!

Ihr
Jörn Gutowski
Gründer, TRY FOODS