Oliven ernten und pressen
Seit Jahren möchte ich mal bei einer Olivenernte dabei sein und miterleben, wie die mit eigenen Händen geernteten Oliven in der Mühle zu Olivenöl gepresst werden.
Ende Oktober ergab sich die Möglichkeit, während eines Besuchs bei meinem Vater, der auf Zypern lebt. Ich begab mich also als "Mann der Theorie" zum ersten Mal als Erntehelfer - und nicht nur als Beobachter - in einen Olivenhain.
Der Olivenhain:
Wir kamen mittags bei Gabi Stoppkotte an. Sie lebt seit über 15 Jahren auf der Insel und hat sich über die Jahre ein großes Grundstück mit 29 Olivenbäumen zu einem wunderbaren, verwunschenen Anwesen mit Haupthaus und Ferienbungalow ausgebaut (zur Ferienwohnung). Gabi ist eine besondere Persönlichkeit: ein sehr freier Geist, der offen auf andere Menschen zugeht und eine zupackende Art hat: Gleich nach der herzlichen Begrüßung griff Gabi zur Kettensäge, um den ersten Olivenbaum zu beschneiden.
Später in der Olivenmühle zeigte sie ebenfalls keinerlei Scheu, den Besitzer der Olivenmühle zu überzeugen, uns den Vortritt gegenüber einigen anderen Olivenbauern zu geben, da wir ein vergleichsweise kleine Menge an Oliven hatten: in der ansonsten von Männern dominierten Umgebung keine Selbstverständlichkeit!
Aber nochmal zurück in den Olivenhain: Auf meine Frage, ob es unterschiedliche Olivensorten auf der Insel gäbe, erklärte Gabi, dass man die Oliven in zyprische und türkische Oliven unterscheide. Die zyprischen sind vergleichsweise groß und bleiben lange grün. Die türkischen sind kleiner und werden schneller lila bis schwarz. (Auf dem folgenden Foto ist es gut erkennbar.)
Da Gabi ihre Oliven immer zu einem Olivenöl mischt, konnte sie nicht sagen, ob sich die Öle aus den beiden Sorten geschmacklich unterscheiden. Bei der recht kleinenMenge, die sie jedes Jahr erntet, würde es für sie nicht lohnen, die Oliven getrennt zu sammeln und pressen zu lassen.
Mit einem Eimer und einer Leiter ausgestattet ging es für mich in die Bäume, um die Oliven zu ernten. Gabi pflückt nämlich alle ihre Oliven per Hand. Sie benutzt weder Rüttelmaschinen, noch wartet sie, bis die Oliven von selbst auf die Erde fallen. Professionelle Produzenten, die ich Qualität setzen, hatten mir erzählt, wie wichtig es sei, nur unbeschädigte Oliven möglichst direkt vom Baum zu ernten. Für mich als war es erkenntnisreich zu erleben, was es bedeutet, einen Olivenbaum mit eigenen Händen zu ernten: Es ist eine absolut anstrengende und zeitintensive Tätigkeit!
Die Oliven wachsen sehr unregelmäßig am Baum. Das liegt vor allem daran, wann und wie die Bäume beschnitten werden. Es dauert immer einige Jahre, bis ein neu gewachsener Ast mit seinen Zweigen wieder Oliven trägt.
So musste ich die Leiter laufend neu ansetzen und die Stellen finden, wo ich genügend Oliven pflücken konnte. Die Leiter in den Baum zu setzen war eine wirkliche Herausforderung. Auch wenn Gabi mir versicherte, "ein Olivenbaum hält dich immer", wackelte die Leiter des öfteren bedrohlich, als ich sie in das unübersichtlich verwachsene Zweig- und Astgeflecht lehnte und bis nach oben hinaufstieg.
Beim Pflücken konnte ich erahnen, wie es für Olivenbauern sein muss, die auf Oliven als ihr Haupteinkommen angewiesen sind. Zu überlegen, ob man versucht, möglichst jede Olive zu erwischen, oder ob man sich aufgrund der knappen Zeit lieber auf die ertragreichen Stellen konzentriert, ist gar nicht so leicht. Die meisten Bauern stellen Erntehelfer mit dem Ziel ein, an einem Tag möglichst viele Bäume abzuernten, bevor es dunkel wird. Abends geht es dann in die Mühle, die in der Erntezeit meist die ganze Nacht über geöffnet ist und laufend Öl presst.
Gabi war bei der Ernte komplett tiefenentspannt, während sich in mir ein deutlicher Ehrgeiz entwickelte. Ich wollte möglichst schnell den Baum abpflücken und alle Oliven erwischen. Selbst als Gabi zur Pause rief, wollte ich unbedingt noch den Eimer füllen. Eigentlich irgendwie übertrieben, aber vielleicht war es eine Art Beziehung zu den Oliven und zu den Bäumen und das Gefühl von Verantwortung, das mich antrieb, meinen Beitrag zu leisten, und am Ende mit möglichst vielen Oliven zur Olivenmühle zu fahren.
Während ich für das Ernten mit der Leiter zuständig war, pflückten die anderen Familienmitglieder die Oliven am Boden sitzend von den Ästen und Zweigen, die Gabi abgeschnitten hatte. Alle paar Jahre müssen die Bäume zurückgeschnitten werden, damit sie nicht zu viele Äste entwickeln und zu sehr auswuchern.
Nach gut drei Stunden Arbeit hatten wir zu viert drei Plastikkisten (ca. 30-40kg) und einen Eimer mit Oliven gefüllt.
In der Olivenmühle:
Gegen 16 Uhr ging es mit der Ausbeute zur nahe gelegenen Olivenmühle. Diese ist eine von zwei Mühlen in der Gegend, die laut Gabi die deutlich sauberere und zuverlässigere sei. Als wir eintrafen, warteten bereits drei Olivenbauern mit wesentlich größeren Mengen an Oliven. Ich würde schätzen, es waren ca. 200-300 Kilo.
Nach und nach trafen weitere Bauern mit ihren Autos ein, fuhren möglichst dicht an die Mühle heran und entluden ihre Tagesernte. Einige hatten die Oliven wie wir in Plastikkisten verstaut, andere nutzten riesige Plastiksäcke, in denen die unteren Oliven komplett zerquetscht wurden - nicht sehr förderlich für die Qualität des Öles!
Auch in Punkto Sauberkeit der geernteten Oliven gab es meilenweite Unterschiede. Während Gabi uns bat, die Oliven sauber zu ernten (ohne Blätter und Äste), konnten ich bei anderen Bauern zwischen den Oliven Blätter, Zweige, Steine und sogar Schnecken entdecken. Auch wenn die Oliven im ersten Schritt in der Mühle gesäubert wurden, sah ich, dass nicht alles Beiwerk herausgewaschen wurde und somit mit in die Presse gelangte. Wie man sich vorstellen kann, hat auch dies einen negativen Einfluss auf den Geschmack des Öls.
Das System in der Mühle funktioniert wie folgt: Jeder Olivenbauer erhält beim Eintreffen an der Mühle eine Holzmarke mit einer Nummer. So weiß er, wann er dran ist. Zudem wird die Nummer für die Olivenpresse genutzt. Da die Mühle vier verschiedene Presskammern besitzt, wissen Betreiber und Olivenbauer immer, welches Öl in welcher Kammer gerade gepresst wird.
Nach der Pressung gelangt der Olivenbrei über einen Schlauch in die Zentrifuge, wo das Öl von den restlichen Stoffen (dem Trester) getrennt wird. Der Trester wird über ein Rohr nach draußen geleitet, wo er auf einem großen Berg gesammelt und getrocknet wird. Der Trester wird übrigens später als Brennstoff für die Olivenmühle verwendet; ein sehr sinnvoller Recycling-Zyklus!
Das Olivenöl gelangt über ein feines Sieb in eine Trommel, in der es nochmals von Feststoffen getrennt wird. Schlussendlich läuft der grüne Olivenölsaft in die mitgebrachten Behälter der Olivenbauern.
Die Atmosphäre in der Olivenmühle
Auch wenn wir um zwei Plätze in der Warteschlange nach vorne rücken durften, verbrachten wir gute 2,5 Stunden in der Olivenmühle. So hatte ich genügend Zeit mir die Mühle genau anzuschauen und die Atmosphäre aufzunehmen. Vor allem Männer hielten sich in der Mühle auf. Einige saßen geduldig in oder vor der Mühle, unterhielten sich und/oder genossen die abendliche Stimmung. Andere wirkten gehetzt und ungeduldig und waren nicht erfreut, dass uns der Eigentümer den Vortritt ließ.
Gabi und ich nutzten die Zeit um mit einem Bier auf die Ernte anzustoßen und uns über Olivenöl und andere leckere Produkte Zyperns auszutauschen. Gabi erzählte mir auch, dass die wartenden Bauern nachts gern ein Nickerchen auf den Plastikstühlen in der mit Neonröhren beleuchteten Mühle machen. Zum Glück mussten wir nicht so lange warten... Kurz nach 18h gab uns der Mühlenbesitzer Bescheid, dass unser Olivenöl nun fertig sei und abgefüllt werden konnte.
Mit leuchtenden Augen sahen wir zu, wie unser strahlend grünes Öl in den Behälter floss. Gabi schnappte sich schnell einen Plastikbecher, so dass ich das frische Öl sofort probieren konnte.
Der Geschmack des "eigenen" Olivenöls
Was soll ich sagen: Geschmack ist vorzüglich. Das kaum filtrierte Öle besitzt viele Schwebstoffe und ist vollmundig und aromatisch. Und unvergleichlich grün! Es schmeckt leicht nussig, etwas fruchtig und hat einen kräftig, leicht bitteren Abgang: sehr lecker! Aber da ich die Oliven mit meinen eigenen Händern geerntet habe und stolz wie Bolle bin, dass "eigene" Öl zu probieren, kann ich keine neutrale Wertung abgeben.Ich weiß nur: Die tolle Erfahrung, Oliven selbst zu pflücken und den ganzen Prozess bis zur Pressung mitzuerleben, schmecke ich in jedem Tropfen mit!
In diesem Sinne bleibt neugierig!
Euer
Jörn Gutowski
Gründer, TRY FOODS