Die Grüne Woche 2014

Grüne Woche 2014

Ja, was sagt man zur Grünen Woche? Auf der Fahrt zur Messe las ich einen recht giftigen Spiegel Artikel, der zusammgefasst der Messe vorwirft, ein völlig geschöntes Bild der Lebensmittel- und speziell der Agrarindustrie zu zeigen.

Anstatt süßer Ferkel auf Stroh müssten Verbraucher die Schattenseiten von Massentierhaltung in den Messehallen erleben. Für mich ist die Grüne Woche am ehesten das genaue Spiegelbild, wie es um die Lebensmittelbranche in Deutschland aktuell bestellt ist: Viel Schatten und ein bisschen Licht. Von daher kann man der Messe nicht vorwerfen, sie würde nicht den Status Quo repräsentieren. Wenn man allerdings nach einer Veranstaltung sucht, die sich Gedanken darüber macht, wie es vielleicht im Lebensmittel und Agrarsektor sein könnte, so ist man hier nicht an der richtigen Adresse.

 

Natürlich ist die Grüne Woche ein Marketinginstrument für die Aussteller, die lachende Kinder und niedliche Tiere zeigen. Und die großen industriellen Betriebe bzw. einige Regierungen (hier stach Russland aus meiner Sicht mit einer pompösen Halle heraus) die größten Budgets und können sich die größten Stände mit den schönsten Bannern leisten. So läuft auch die sehr überschaubare Biohalle eher am Rande mit, frei nach dem Motto: "Wir tun etwas für das gute Gewissen." Leider sind auch viele der internationalen Hallen nicht wirklich authentisch, da sie entweder von deutschen Weinimporteuren ("Beste Weine aus Südafrika, Brasilien, Spanien, Frankreich, Portugal usw."), Bierständen oder von Imbissen (wie sie es in Berlin an jeder Ecke gibt: "deutsch-chinesisch-thai-vietnamesisch-japanische Spezialiäten Küche 50% Rabatt heute") bespielt werden.

Als Bewohner unserer Hauptstadt hat mich insbesondere die Berliner Halle betroffen gemacht, die beim Betreten den Besucher mit riesigen, quitschbunten Bannern an den Decken willkommen hieß und die zur Überraschung dann aber gefühlt nur 10% der Größe des Nachbarbundeslandes Brandenburg hatte. Diese kleine Fläche wurde zudem zu großen Teilen von drei großen Firmen (Kaisers, Sprequelle und Bergmann Events) eingenommen. Leider blieb so nicht mehr viel Platz für die wirklich spannenden Manufakturen, kleinen Betrieben oder Neugründungen, die es gerade zu genüge in Berlin gibt.

Nach so viel Schatten möchte nun aber ein wenig über das Licht sprechen. Hier sind einige der Highlights, die ich gefunden habe:

Berlin Craft Beer Stand:

Koop-Stand der Brewbaker Brauerei, Schöppe Bräu und Braumeister Selection; hier durfte ich eine wirklich original Berliner Weiße schmecken. Diese Berliner Spezialität, die heute nur noch als Mischung aus normalem Pils und süßem Sirup sein Dasein fristet, ist eigentlich ein leicht säuerliches Bier mit niedrigem Alkoholgehalt. Den charakteristischen säuerlichen Geschmeck erhält es durch den Einsetz von speziellen Milchsäurebakterien. Ich muss zugeben, dass der erste Schluck gewöhnungsbedürftig ist, da meine Geschmacksknospen nicht an solch saures Bier gewöhnt waren, aber mit jedem Schluck hat es mir mehr gefallen. UND ich könnte es mir super als Durstlöscher im Sommer vorstellen! Außerdem wird ein fast vergessenen Original Berliner Braukunst langsam wieder mit Leben erfüllt!

Gündels Kulturstall - Kartoffelvielfalt

In der sächsischen Halle kam ich durch Zufall an dem Stand der Kartoffelbauern aus de Vogtland vobei. Die Vielfalt der 100 (!) Kartoffelsorten, die die Betrieb anbietet, das Wissen über die Kartoffel und die Leidenschaft von Herr Gündel und seinen Mitarbeitern haben mich begeistert. Es gibt so vieles, das ich nicht über die Knolle weiß. So hatte ich zwar von der Kartoffelseuche in Irland im 18. Jahrhundert gehört, wusste aber nicht, dass in der Zeit quasi alle ursprünglichen Kartoffelsorten in ganz Europa ausstarben! Es gibt wohl nur noch auf den Kanaren die "Ur-Kartoffeln", die dort u.a. in einer Samendatenbank aufbewahrt werden. Aus dieser Datenbank kam auch Herr Gündel an diese alten Kartofellsorten und baut sie nun neben allen möglichen Sorten aus aller Welt an. Bei der Verkostung konnte ich so eine weiße Sorte, die ursprünglich aus Peru kommt, und die geschmacklich mich an Mais erinnerte und den mehligen Vierviertler aus Österreich probieren. Beide wirklich sehr lecker und geschmacklich Meilen von der normalen Supermarktware entfernt.

 

Weiterhin Spaß gemacht haben:

... die Verkostung vom kasachischem Nationalgetränk Kumys (gegorene Stutenmilch), das weit weniger komisch als erwartet sondern ein wenig wie alkoholisierter Ayran schmeckte;

... die Reisvielfalt Japans, wo jeder Präfektur ihren eigene Sorte zu haben scheint;

...sowie geräuchter Weißlachs aus einem Polarfluss im Norden Russlands - köstlich gehaltvoll!