Die bewegte Geschichte des Gins

Einblick in die Gin-Geschichte in der Edinburgh Gin Destillery

Um die Entwicklung des Gins hin zum heutigen omnipräsenten Bar-Getränk besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die sehr wechselseitige und turbulente Geschichte des Gins. Man könnte sagen, es ist eine Geschichte in neun Kapiteln mit Happy End.

 

1. Kapitel: Aller Anfang liegt im Wacholder

Wie viele andere Gewürzen, die heute dem Genuss dienen, ist auch der Wacholder ursprünglich eine Medizin. Erste Aufzeichnungen zum Gebrauch kommen aus den heutigen Niederlanden und gehen bis ins Jahr 1269 zurück.


2. Kapitel: Der Genever, der große Bruder

Nicht verwunderlich, dass wenige Jahrhunderte später ausgerechnet in Holland das erste Mal aus Wacholder Schnaps gewonnen wird. Er wird daraufhin nach dem holländischen Wort für Wacholder „Genever“ (oder „Jenever“ – wie die Flamen in Belgien sagen) genannt.


3. Kapitel: Aus „Dutch Courage” wird Gin

Im Dreißigjährigen Krieg kämpfen englische Soldaten in Holland und sehen, wie der Genever anscheinend den holländischen Truppen Mut auf dem Schlachtfeld gibt. Der sogenannte „Dutch Courage” wird auch bei den Engländern immer beliebter. Die Entwicklung zum Massengetränk in England wird durch die Thronbesteigung des aus Holland stammenden William III. weiter befeuert. William senkt Steuern auf das Brennen von Schnäpsen und erhöht sie für das Brauen von Bier und für den Import von ausländischen Waren.


4. Kapitel: Die „Gin Craze“

Im 17. Jahrhundert war es unhygienisch, Wasser zu trinken. Die Engländer, die vorher Bier mit 3-4% Alkohol zum Frühstück, Mittag und Abendessen tranken, sattelten nun reihenweise auf Gin mit 40-50% Alkokol um, mit katastrophalen Auswirkungen auf ihre Gesundheit. Anfang des 18. Jahrhunderts zeigt sich ein wahres Horrorbild von London: Die Sterberate übersteigt die Geburtenrate bei weitem und 75% aller Kinder sterben vor ihrem 5. Geburtstag, da sie verwahrlosen, selbst Gin trinken oder durch trinkende Schwangere bereits im Mutterleib erleiden.


5. Kapitel: Gesetze und Paläste

Um der katastrophalen Lage Herr zu werden, werden Gesetze erlassen, um die Menge des Gins einzudämmen und die Qualität zu verbessern. So wurden vorher z. B. oft giftige Mittel wie Terpentin in den Gin gemischt. Der nun hochwertiger gewonnene Gin („London Dry”) wird bei der High Society beliebt. Sogenannte „Gin-Paläste” entstehen, wo die feine Gesellschaft glamourös mit Gin zu feiern weiß.


6. Kapitel: Gin & Tonic – Die Affäre beginnt in Indien

Vorhang auf für eine der wichtigsten Entwicklungen in der Gin-Geschichte: Das Tonic erscheint. Im 19. Jahrhundert ist Chinin (Inhaltsstoff der Chinarinde) besonders bei Angehörigen der britischen East India Company eine verbreitete Malaria-Prophylaxe. Da der bittere Geschmack alles andere als angenehm ist, mischen sie es mit Wasser, Zucker und Zitrone. Geboren ist das Tonic! Als man dann erkennt, dass Tonic sehr gut zu Gin passt, steigt die Motivation der Seeleute immens, ihre Malaria-Prophylaxe regelmäßig einzunehmen.


7. Kapitel: Prohibition fördert den Cocktailkonsum

Anfang des 20. Jahrhunderts verhängt der amerikanische Staat die Prohibition auf Alkohol. In den sogenannten Speakeasy-Bars werden die exorbitant teuren illegal importierten Gins aus England zwar weiter getrunken, aber viele amerikanische Barkeeper verlassen ihre Heimat und nehmen ihre weit entwickelte Cocktailkultur mit. In den „Golden 20‘s” werden so auch in Europa immer mehr Gin-Cocktails getrunken.

 

8. Kapitel: Wodka verdrängt Gin

Bis in die 1960er Jahre ist Gin der Platzhirsch. Dann schafft es die Firma Smirnoff dank cleveren Marketings, dass Wodka nach und nach Gin verdrängt. Ein genialer Schachzug ist die Produktwerbung in den „James Bond“ Filmen. So trinkt der englische Meisterspion auf einmal nicht mehr Gin, sondern einen Wodka Martini – geschüttelt und nicht gerührt.


9. Kapitel: Gin kämpft sich zurück

Gin schafft es Ende des 20. Jahrhunderts, sich langsam zurückzukämpfen. Den Anfang macht die Firma Bacardi, die mit dem Bombay Sapphire einen stylischen und höherpreisigen Gin auf den Markt bringt. „1987 sahen sich Vertreter von Bacardi in Spirituosengeschäften um und sahen nur Gordon‘s bzw. billige Kopien von Gordon‘s, die sogar fast genauso aussahen. Sie sagten sich, dass wir das besser könnten, und entwickelten den Bombay Sapphire. Während der Gordon‘s nur drei bis vier Botanicals hatte, wurden für den Bombay zwölf aus aller Welt genommen und fertig war der erste ‚Upscale Gin‘.“


Der nächste Gin, der richtungsweisend ist, heißt Hendrick’s – ein Gin, der mit seiner Gurkennote auch als der Urvater des „New Western Stils” bezeichnet wird und der den Markt für Gin Anfang der Nullerjahre weiter öffnet. Sipsmith Gin aus London ist der Pionier der kleinen, handwerklich arbeitenden Brennereien, die hochwertige und teure Gins erfolgreich verkaufen. Besonders in Deutschland ist auch der Monkey 47 als Wegbereiter für edle Gins zu sehen, den viele andere Gin-Produzenten als Vorbild nehmen.