Der Geschmack von Bier

 BRLO Bauerei in Berlin

 

Vor einigen Jahren habe ich mit Freunden eine Blindverkostung verschiedener großer und bekannter deutscher Biermarken gemacht. Wir waren nicht in der Lage, die Biere den jeweiligen Marken korrekt zuzuordnen. Die Biere ähnelten sich einfach alle geschmacklich zu sehr. 

Besonders dank der Craft Beer Szene sind in den letzten Jahren zum Glück aber Biere in die Zapfhähne von Kneipen und Kästen von Getränkemärkten gekommen, die charakteristische Geschmäcker aufweisen. Und während man vor einigen Jahren meist nur zwischen wenigen Bierstilen (wie Pils und Weizen oder regionalen Spezialitäten wie Kölsch in Köln oder Alt in Düsseldorf) wählen konnte, findet man nun viel mehr unterschiedliche Stile. 

Die größere Vielfalt und Auswahl ist auf der einen Seite wunderbar zum Entdecken, auf der anderen Seite kann sie aber auch schnell überfordernd sein. Um besser zu verstehen, wie man Biere geschmacklich unterscheiden kann, machte ich mich vor einigen Tagen auf den Weg zur Brauerei der Berliner Craft Bier Marke BRLO im Stadtteil Schöneberg. 

 

Über BRLO

Seit Ende 2014 brauen eine Fränkin, ein Berliner und ein Mecklenburger unter dem kaum aussprechbaren Namen BRLO Craft Beer in Berlin. Dabei ist BRLO keinesfalls ein Fantasiewort, sondern der alt-slawische Name für die Stadt Berlin. Und irgendwie klingt BRLO ja auch ein bisschen nach Bier. 

Die drei haben sich von Anfang an auf die Fahnen geschrieben, dass sie kreative, handwerklich hergestellte Biere brauen wollen, die aber nicht zu abgefahren schmecken, sondern auch für eine breitere Masse trinkbar sein sollen. Mit diesem Ansatz scheinen sie großen Erfolg zu haben. Aus persönlicher Erfahrung von verschiedenen Events in Berlin, Besuchen in Kneipen und gut sortierten Getränkeläden kann ich sagen, dass BRLO mittlerweile quasi omnipräsent in Berlin sind. Neben der Brauerei haben die drei Macher auch eine erfolgreiche Gastronomie mit dem Brwhouse am Gleisdreieck in Berlin und einer kleinen Kneipe in der Delikatessenabteilung vom KaDeWe aufgebaut. 

Im Brwhouse braut BRLO auch einen Teil der eigenen Biere. Eine weitere und größere Produktionsstätte wird gerade in Zusammenarbeit mit anderen Craft Beer Brauereien in Berlin eingerichtet. 

Wir trafen uns mit Veronica Menzel. Die aus Brasilien stammende Brauerin arbeitete über viele Jahre als Flugbegleiterin und trank sich leidenschaftlich gern  in den verschiedensten Weltmetropolen durch gute Biere, bis sie eines Tages auf die Idee kam, selbst zu brauen. Sie entschied sich für den Braukurs an der Berliner Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei. Eigentlich wollte sie nur für den sechsmonatigen Kurs in Berlin bleiben. Aus diesen sechs Monaten sind nun aber bereits acht Jahre geworden. Und wenn man die Leidenschaft und den Enthusiasmus erlebt, mit der Veronica uns durch ihr "Reich" der BRLO Brauerei führt, die sie vor zwei Jahren mit aufgebaut und eingerichtet hat, so kann man sich gut vorstellen, dass sie noch einige weitere Jahre dranhängen wird.  

Veronica nahm sich mehr als zwei Stunden Zeit, um mir dabei zu helfen, mein Halbwissen über das Bierbrauen zu vertiefen. Dank ihrer Geduld kann ich nun sagen, dass ich besser verstehe, welche Zutaten für was im Bier zuständig sind und wie man unterschiedlichen Geschmacksprägungen erhält. 

 Brauerin Veronica Menzel und Jörn Gutowski von TRY FOODS im BRLO Brewhouse

Vom Getreide zum alkoholischen Getränk 

Wenn man in Deutschland ein Getränk brauen möchte, das "Bier" heißen darf, dürfen nur die folgenden Zutaten verwendet werden: Malz aus Gerste oder Weizen, Hopfen, Hefen und Wasser. Auf den ersten Blick scheint dies sehr einschränkend zu sein, aber auch innerhalb dieses Rahmens lassen sich viele Biere brauen, die geschmacklich sehr unterschiedlich sind: von frischen leicht-säuerlichen bis hin zu schweren, schokoladigen Bieren. Denn die drei Bestandteile Malz, Hopfen und Hefe können je nach Sorte und Einsatz sehr unterschiedliche Geschmacksprofile kreieren. 

 

Das Malz - die würzige Grundlage  

Das Malz bildet die Grundlage des Bieres. Malz ist ein kurz gekeimtes und dann getrocknetes Getreidekorn, welches normalerweise zudem geröstet wird. Dabei wird für die meisten klassischen Bierstile (wie Pils) Malz aus Gerste verwendet, da sie einen hohen Zuckeranteil und viele Enzyme besitzt, die man für das Bierbrauen benötigt. Daneben wird auch Malz aus Weizen (für Weißbiere) benutzt. 

Sowohl die Getreidesorte als auch der Grad der Röstung hat einen großen Einfluss auf den späteren Geschmack des Bieres. 

Je dunkler das Malz geröstet wird desto dunkler wird das Bier und desto mehr Röstaromen bekommt es. So geht der Rauchgeschmack vom Bamberger Rauchbier auf den Einsatz von geräucherten Malz zurück. 

Das Mundgefühl wird auch durch das Malz bestimmt; hier liegt es vor allem an der Auswahl des Getreides. Bier aus Weizenmalz wie ein Hefeweizen hat mehr Körper (es wirkt cremiger im Mund) als ein Bier aus Gerstenmalz wie ein Pils. 

Zusammengefasst sorgt das Malz vor allem für Süße, Farbe, Röstaromen und das Mundgefühl

Malz und Hopfen

Der Hopfen - kostbares Aromenspiel

Hopfen ist mit Abstand die teuerste Zutat im Bier. Die mit dem Hanf verwandte Schlingpflanze wirkt nicht nur beruhigend, sondern sorgt sowohl für die geschmackliche Komplexität (besonders die bitteren Noten) als auch für die Haltbarkeit des Bieres und für die Festigkeit des Schaumes. 

So wurden früher Biere, die für den Export vorgesehen waren, extra stark gehopft (wie der deutsche Stil Export und besonders der englische Stil Indian Pale Ale). 

Da Hopfen wie gesagt teuer ist, hat die Industrie über die Jahre immer weiter versucht, am Hopfen zu sparen. Besonders der deutsche Bierstil Nummer Eins, das Pils, wurde immer weniger geschmacklich interessant und weniger bitter. 

Besonders die Craft Beer Szene hat dies umgedreht und experimentiert sowohl mit wesentlich höheren Anteilen an Hopfen (bis zu 10x mehr als bei industriellen Bieren) und mit unterschiedlichen Hopfenarten, die nicht nur bitter, sondern auch fruchtig oder blumig schmecken können. Diese Hopfenarten bezeichnet man als sogenannte Aromahopfen. Die Sorten haben so wohlklingende Namen wie Saphire, Opal, Cascade oder Mandarina Bavaria. Insgesamt gibt es übrigens Hunderte Hopfensorten weltweit. Aromahopfensorten besitzen einen vergleichsweise hohen Anteil an ätherischen Ölen, die eine große Aromenwelt eröffnen können. Da ätherische Öle bei Hitze abtgetötet werden, ist es wichtig, den Hopfen bei kalten Temperaturen ins Bier zu geben. Dies wird als sogenannte "Kaltstopfung" bezeichnet. 

Zusammengefasst sorgt der Hopfen geschmacklich also für bittere sowie fruchtig-florale Noten im Bier. Hopfen kann zudem auch einen leicht trockenen Geschmack im Mund hinterlassen. 

 

Die Hefe - die unterschätzte Kraft 

Ohne Hefe kein Alkohol: Die kleinen einzelligen Pilze sorgen dafür, dass Zucker in Alkohol umgewandelt wird, was als Gärung bezeichnet wird.

Die Hefe ist auch ein gutes Beispiel für mein Halbwissen vor dem Gespräch mit Veronica. Ich wusste zwar, dass die Begriffe "obergärig" und "untergärig" etwas mit der Hefe zu tun haben, aber was sich genau dahinter verbarg, war mir schleierhaft.

Genau wie beim Malz und beim Hopfen gibt es auch bei der Hefe eine große Vielfalt an Sorten. Neben natürlichen Hefestämmen, die überall in der Luft sind (wilde Hefen, die für sogenannte Spontanvergärung sorgen können), wurden spezielle Bierhefen für unterschiedliche Einsätze und Bedingungen gezüchtet. 

So werden für untergärige bzw. obergärige Biere unterschiedliche Hefesorten und Temperaturen benutzt. 

Bei den obergärigen Bieren steigt die Hefe im Sudkessel nach oben. Dies geschieht bei einer Temperatur von ca. 18-22 Grad. Untergärige Biere dagegen benötigen 8-12 Grad, damit sich die Hefe nach unten absetzen kann. Deshalb konnten Brauereien früher vor der industriellen Kühlung auch nur im Winter bzw. zur kalten Jahreszeit untergärige Biere brauen. Im Sommer gab es nur obergärige Biere. 

Die Art der Hefe und der Vergärung hat nun auch wieder Auswirkungen auf den Geschmack: So schmeckt ein obergäriges Bier tendenziell immer fruchtiger (bzw. nach Gewürzen), während ein untergäriges eher neutraler und sauberer schmeckt. 

Beispiele für obergärige Bierstile sind: Weißbiere, Kölsch, Alt oder das englische Ale.

Beispiele für untergärige Bierstile sind: Pilsener, Helles oder Bock

Veronica erzählte mir, dass besonders das geschmackliche Potenzial der Hefe beim Bierbrauen oft unterschätzt wird. Denn allein durch den Einsatz unterschiedlicher Hefesorten kann man dem Bier eine ganz eigene geschmackliche Handschrift verpassen. 

Den richtigen Bierstil für Deinen Geschmack

Dank Veronicas Veranschaulichung wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass man Biere in Malz-, Hopfen oder Hefebiere unterscheiden kann. Das bedeutet, bei bestimmten Bierstilen spielen eine der drei Zutaten die Hauptrolle für den Geschmack. Hier sind einige Beispiele:

Malzbiere sind z.B. Rauchbiere oder auch Stout und Porter Biere. Hier dominieren besonders die Rauch- bzw. die Röstnoten des Getreidemalzes den Geschmack des Bieres.

Hopfenbiere sind z.B. Indian Pale Ale (IPA) Biere. Die stark gehopften Biere können gerade bei der Verwendung von Aromahopfen sowohl bitter als auch sehr fruchtig schmecken. 

Hefebiere sind z. B. Weißbiere wie das Hefeweizen. Bei Sorten wie dem Hopf Hefe schmeckt man die fruchtige Noten der obergärigen Hefen, die an Banane erinnern. 

Andersherum kann man bei der Suche nach einem Bierstil, der Deinem Geschmack passt, auch die Verwendung der drei Zutaten als Hilfestellung benutzen:

Du magst es leicht und fruchtig? 

Dann ist ein helleres Bier (kaum geröstetes Malz und somit keine starken Röstaromen) mit wenig Hopfen (bzw. mit eher fruchtigem Hopfen) und einer obergärigen Hefe für Dich genau richtig. Mögliche Bierstile sind Kölsch oder ggf. auch eine Berliner Weisse. 

Du magst es kräftig, malzig und säurearm? 

Dann ist ein dunkles Bier mit geröstetem Malz, einer mittleren Menge an Hopfen (eher bittere Hopfenarten als fruchtige) und einer obergärigen Hefe richtig. Mögliche Bierstile sind Bockbier oder auch Porter (bzw. Stout). 

So kann man für viele weitere Geschmackspräferenzen den passenden Bierstil finden. Zudem sind Präferenzen bei den meisten von uns auch nicht fest, sondern variieren je nach Jahreszeit, Stimmung oder auch dem zum Bier gereichten Essen. 

Dank der Experimentierfreude Craft Beer Szene können auch Biertrinker mit eher außergewöhnliche Präferenzen, die z.B. sowohl dunkle, karamellige, schokoladige als auch bitter-fruchtige Noten mögen, mit einem "Dark IPA" zufrieden gestellt werden.  

 Veronica Mentzel und Jörn Gutowski beim Bier Tasting von BRLO

Die Verkostung der BRLO Biere

Nach der vielen Theorie verkosteten wir zum Schluss bei herrlichem Sonnenschein im BRLO Biergarten einige Biere aus dem Sortiment der Brauerei. So konnte ich gleich das Gelernte in die Praxis umsetzen... In der Tat habe ich einen neuen Zugang zum Bierprobieren und damit eine neue Wertschätzung gerade für handwerklich gebraute Biere bekommen. 

Die folgenden fünf Biere waren Teil des BRLO Tasting Bretts: 

1. Berliner Weisse: Der urberlinische Bierstil erfährt gerade eine lang ersehnte Renaissance. Da ich mich für das TRY Berlin Set bereits mit dem Stil beschäftigen durfte, war mir der für viele ungewöhnlich säuerliche Geschmack bekannt. Gerade im Sommer ist die Berliner Weisse mit den Noten von grünen Äpfeln eine wunderbare Erfrischung. 

2. Helles: Kaum ein anderer Bierstil hat die Regale der Berliner Spätis in den letzten Jahren so verändert. Vor einigen Jahren gab es kaum Helles aus Bayern und mittlerweile sind die Spätis voll mit Augustiner, Tegernseer, Bayreuther und wie sie alle heißen. Während der typische bayerische Stil sehr süffig und leicht süßlich ist, schmeckt das BRLO Helles etwas bitterer. Mir gefällt's so! 

3. Pale Ale: Da ich generell üppigen Geschmack schätze, bin ich auch ein Fan von den Sorten Pale Ale und Indian Pale Ale. Das Pale Ale von BRLO ist nicht zu schwer, aber hat genügend Körper und einen angenehm fruchtigen Geschmack. Einer meiner beiden Favoriten im Tasting. 

4. German IPA: das rot schimmernde Bier hat ähnliche Geschmacksprägungen wie das vorher beschriebene Dark IPA. Auch hier treffen Röstaromen (Toffee) auf fruchtige Noten (rote Beeren). Diese Kombi trifft nicht ganz meinen Geschmack.

5. Baltic Porter: eine Mischung aus einem klassichen englischem Porter und einem russischen Imperial Stout, das am Hofe Katharina der Großen in St. Petersburg erfunden worden sein soll. Das Bier schmeckt herrlich malzig-karamellig mit Noten von dunkler Schokolade. Es ist zwar kein Sommerbier, aber selbst bei den aktuell warmen Temperaturen schmeckt es ganz wunderbar. Ich war bisher nicht unbedingt großer Fan von dunklen Bieren, aber das Baltic Porter könnte mich konvertieren... Gemeinsam mit dem Pale Ale mein Favorit. Es ist laut Veronica auch ein tolles Bier für Food-Pairings. 

Apropos Food-Pairing mit Bier: Dank der Craft Beer Szene ist Bier nicht mehr nur das bevorzugte Getränk an Imbissbuden, sondern hält Einzug in die gehobene Gastronomie. Ich denke, dass auch wir bei TRY FOODS in Zukunft Bier mit verschiedenen Speisen kombinieren werden. Auf jeden Fall steht schon eine Verkostung von Porter Bieren und dunkler Schokolade auf dem Zettel. 

In diesem Sinne, bleibt neugierig

Euer
Jörn Gutowski
Gründer, TRY FOODS 

 

Im Video:

Kurzes Interview zwischen Veronica Menzel und Jörn Gutowski