Berliner Weisse: Das Berliner Original im Geschmackstest

Heute auf unserem Verkostungstisch: Die Berliner Weisse – Der Bierstil, der einzigartig für die Hauptstadt ist!

Wir trinken heute verschiedene Berliner Weisse und bevor sich bei Ihnen Bilder von roten oder grünen Bier-Kaltschalen im Kopf festsetzen, muss ich sagen, dass diese Industriesirups nichts in einer guten Weisse zu suchen haben. 

 

Was ist Berliner Weisse:

Die Berliner Weisse ist ein obergäriges Bier aus Gersten- und Weizenmalz (Weissbier muss immer einen Anteil an Weizen haben). Der säuerliche und leicht trockene Geschmack des Bieres entsteht traditionell durch den Einsatz von Milchsäurebakterien während der Gärung und dem Hinzufügen einer speziellen Hefe (Brettanomyces). 

 

Die Geschichte der Berliner Weisse

Berlin hat für die Größe der Stadt eine eher überschaubare Anzahl an kulinarischen Traditionen. Besonders die Suche nach „Ur-Berliner“ Produkten ist gar nicht so einfach. Wenn man die Erfindungen des 20. Jahrhunderts wie Currywurst oder Döner Kebap außen vorlässt, so bleibt nicht mehr viel. Umso erstaunlicher ist eigentlich, dass die traditionelle Berliner Weisse noch vor kurzem eigentlich ausgestorben war. Es gab nämlich nur noch eine große Industriebrauerei (Berliner Kindl), die eine Weisse braute - allerdings nicht nach Originalrezept. 

Angefangen hat die Geschichte der Berliner Weisse wohl im 16. oder 17. Jahrhundert. Einige Quellen sagen, dass mit der Ansiedlung der Hugenotten das Wissen der in Belgien bekannten Sauerbiere nach Berlin kam. Hier wurde es leicht angepasst und der Bierstil Berliner Weisse war geboren. Angeblich mochten die in Berlin stationierten Truppen Napoleons das Bier so sehr, dass sie es den „Champagner des Nordens“ tauften. 

Im 19. Jahrhundert war die Berliner Weisse so beliebt in Berlin, dass es mehr als 100 auf diesen Bierstil spezialisierte Brauereien in der Stadt gab. Aber bereits zum Anfang des 20. Jahrhunderts stieß das immer beliebter werdende strahlend goldene Pils die Weisse vom Thron des beliebtesten Biers in Berlin. 

Traditionell wurde die Berliner Weisse übrigens entweder pur oder mit einem Berliner Kümmel-Schnaps getrunken. Erst in den 1920er Jahren begann man damit, die Weisse mit süßen Sirup zu mischen. Dies half dem Bier aber leider nicht dabei, sich gegen Pils und andere Bierstile zu behaupten. Nach und nach verschwanden die Weisse Brauereien aus dem Stadtbild. 

Erst mit der neuen Welle des Craft-Biers entdeckten Brauer den Bierstil wieder. Besonders zu nennen sind die Brauer Andreas Bogk und Michael Schwab, die als erste wieder eine traditionelle Berliner Weisse brauten. Mittlerweile gibt es nun wieder eine Handvoll an Berliner Brauern, die sich mit dem Ur-Berliner Bierstil angenommen haben – ein Glück! 

Berliner Weisse probieren

Wir probieren heute drei traditionell gebraute Berliner Weisse (BRLO, Brewbaker Jahrgangsweisse, Brewbaker Berliner Weisse), eine industrielle Berliner Weisse (Kindl) sowie zwei andere Sauerbiere (Sunburst und Oude Geuze Boon).

 

Brewbaker Berliner Weisse (2,5% vol):

Als junge Weisse schmeckt das Bier sehr frisch, hat deutliche saure Apfelnoten und eine sehr erfrischende Note. Heute probieren wir aber als Abwechslung eine bereits länger lagernde Weisse von Brewbaker. Das Aroma ist „reifer“ geworden. Die Weisse schmeckt samtiger und leichter. Sie hat nicht mehr die quitschende Säure, sondern Hefenoten (wie man auch vom Champagner kennt) stehen deutlicher im Vordergrund. Der Nachgeschmack ist deutlich trocken und verhallt aber sehr schnell.  

 

BRLO Weisse (4% vol):

Die BRLO Weisse hat deutlich mehr Alkohol als die Weisse von Brewbaker, weshalb das Bier auch mehr Körper und Wums hat. Es ist deutlich fruchtig mit einer trockenen, sauren Note. Der erste Schluck schmeckt mir sehr. Allerdings bleibt nach dem 2. Schluck ein säuerlich unangenehmer Nachgeschmack im Mund hängen. Hier hilft nur der Einsatz von salzigen Chips um den Geschmack wieder zu neutralisieren. 

 

Brewbaker Jahrgangsweisse 2015 (3,5% vol):

Die Weisse wurde 2015 in 0,75l Flaschen abgefüllt. Der Unterschied zur „normalen“ Weisse ist, dass die Jahrgangsweisse von Brewbaker einen höheren Alkoholgehalt hat und in großen Flaschen abgefüllt wird. Die Idee dieser Abfüllung ist, dass man die Jahrgangsweisse in den Keller legen und über Jahre reifen lassen kann. 

Geschmacklich liegt die Weisse genau zwischen der BRLO und der anderen Brewbaker Weisse. Sie hat eine tolle Balance aus fruchtigen Noten (ich schmecke Himbeere und Stachelbeere) und einer angenehmen Säure.  

 

Sunburst Sour  (4,8% vol): 

Dieses Bier ist eine Gemeinschaftsprojekt mehrerer Berliner Brauereien (Brewbaker, Brew Dog, Berliner Berg, BRLO und Schneeeule) und wurde speziell für die Berlin Beer Week 2016 abgefüllt. Dieses Getränk darf sich nicht „Bier“ nennen, da es aufgrund der Zugabe von Zitronenschale und Honig nicht dem Deutschen Reinheitsgebot entspricht. 

Mir schmeckts trotzdem! Es ist eine wahre Aromenbombe. Es ist sehr erfrischend, sehr fruchtig (deutliche Zitrusnoten) und hat dank des Honigs eine feine süßliche Note, die aber im Hintergrund steht. Sunburst Sour ist ein wunderbarer Sommerdrink! 

 

Oude Geuze Boon (7% vol): 

Die belgischen „Geuze“ (in Deutsch auch „Gose“ genannt) Biere sind ebenfalls Sauerbiere und somit der Berliner Weisse geschmacklich ähnlich. Die Säure entsteht auch hier durch den Einsatz von Milchsäurebakterien.

Die Produktion der „Geuze“ Biere ist sehr aufwendig. Es beginnt mit einer Spontanvergärung durch wilde Hefekulturen. Diese sorgen für sehr komplexe und einzigartige Aromenspektren. Das vergorene Bier wird in Fässern in dunklen, muffigen Kellner gelagert. Dieses Bier wird dann „Lambic“ genannt. Damit es zum „Geuze“ wird, füllt der Brauer das Bier in Flaschen, wo es zu einer zweiten Vergärung kommt. 

Mit 7% Alkohol befinden wir uns bei diesem Bier im Bereich der Starkbiere. Bisher kenne ich Starkbiere vor allem als recht malzig, süßlich und schwer. Das Oude Geuze Boon ist als starkes Sauerbier geschmacklich aber unvergleichlich komplex. Es hat die reifen, schweren Noten eines Starkbiers, die aber mit sauren, fruchtigen Noten kombiniert sind. Ich schmecke Dörrobst und ganz deutlich die leicht bittere/trockene Note der Pomelo-Frucht. Es ist kein Bier für den „täglichen Verbrauch“, aber ein Tipp für alle, die ungewöhnliche Biere (probieren) mögen. 

 

Berliner Kindl Weisse (3% vol):

Obwohl sich die Weisse selbst als „Das Original“ bezeichnet, ist diese Weisse nicht mit den für Berliner Weisse typischen Hefen der Brettanomyces und unter der Zugabe von Milchsäurebakterien gebraut. Anstatt natürlichem Hopfen werden hier auch nur „Hopfenextrakte“ aus industrieller Herstellung benutzt. 

Im ersten Moment finde ich die Weisse aber gar nicht so schlecht. Sie hat ein sehr cremiges und angenehmes Mundgefühl und eine leichte, angenehme Säure. Dann flacht der Geschmack aber sehr schnell ab und eine unangenehme Note kommt durch. Diese erinnert mich an einen chemischen Reiniger. Der Nachgeschmack ist ebenfalls etwas schal. 

 

Das Fazit:

Keine Frage, es wäre passender gewesen, eine Weisse Verkostung im Sommer zu machen. Die Biere sind hervorragende Erfrischungen bei heißen Temperaturen. Unsere Geschmacksfavoriten sind die Brewbaker Jahrgangsweisse und das Sunburst Sour. Und das Oude Geuze Boon erhält einen Ehrenpreis für das ungewöhnlichste Bier! 

Wenn man Sauerbiere probiert, sollte man bereits vorab die Geschmackserwartung, die man normalerweise an ein Bier ad acta legen. Denn durch die sauren Noten passen die Biere nicht in das Geschmacksmuster, was die meisten von uns für Biere haben. Man sollte eher den Geschmack eines trockennen Ciders oder eines Weißweins erwarten. Als ich das erste Mal eine Weisse probierte, merkte ich, dass mir der erste Schluck nicht wirklich schmeckte. Mein Gehirn versuchte wohl erfolglos den Geschmack in die Kategorie Bier einzuordnen. Erst nach mehreren Schlucken gab das Gehirn nach und öffnete sich diesem neuen Geschmackserlebnis. Und dann gefiel es mir mehr und mehr! 

Also, in diesem Sinne: 

Blieben Sie neugierig!

Ihr 

Jörn Gutowski
Gründer, TRY FOODS

PS: Die Berliner Weisse von Brewbaker ist auch Teil des TRY Berlin Sets.