Lakritz: süß oder salzig?

 

Lakritz im Fachgeschäft Kado in Berlin

Lakritz gehört zu den Dingen, die die Menschheit entzweit. Entweder sieht man darin eine einzigartige Leckerei oder man stellt sich die Frage, warum man dieses pechschwarze oft gummiartige Etwas freiwillig essen sollte. Auf Deutschland bezogen kann man sogar eine Lakritzgrenze ziehen. Nördlich dieser mögen Menschen tendenziell Lakritz, während sie im Süden eher dankend ablehnen. 

Noch größer ist die Abneigung in Ländern wie den USA. Wenn man sicherstellen möchte, dass einem keiner seine Süßigkeiten wegnimmt, dann einfach eine Tüte Lakritzschnecken für die nächste Reise in die Staaten einpacken! 

Als gebürtiger Schleswig-Holsteiner gehöre ich zu den Lakritzliebhabern, wobei ich besonders die salzigen Varianten bevorzugte und mir diese als Kind gern in der Apotheke kaufte. 

Als wir im TRY FOODS Team über mögliche Themen für unsere Verkostungsthemen sprachen, schlug meine spanische Kollegin Maria Lakritz vor. In Berlin scheint das Thema Lakritz beliebter zu werden. Wir sehen mehr hochwertige Lakritzmarken (wie Lakrids) und immer neue Lakritz-Verkaufstände auf Märkten. Natürlich stimmte ich begeistert zu. Denn obwohl ich es mein Leben lang gern esse, wusste ich bisher kaum etwas über Lakritz. Wir machten uns also auf die Suche nach einem Lakritz-Experten, der uns in das Thema einführen und uns viel gute Lakritze zum Probieren geben konnte.

In Berlin stößt man dabei fast automatisch auf das kleine Ladengeschäft kadó in Kreuzberg. Denn seit über 20 Jahren vertreibt das Paar Ilse Böge und Frank Büttner dort und im Internet Lakritzspezialitäten aus aller Welt. Grund genug uns auf den Weg nach Kreuzberg zu machen! 

 

Für Eilige sind hier meine Lakritz-Highlights: 

 Lakritz Top-3

 

kadó: Die Lakritz-Spezialisten aus Berlin 

Ilse Böge kommt genau wie ich aus dem Norden und zwar aus Ostfriesland. Ihre Familie bestand seit jeher aus Lakritzfans. Das Wirtschaftsstudium führte sie nach Berlin und als zum Ende ihrer Studienzeit die Mauer fiel, war für sie klar, dass sie nicht weg ging. Aber da die Jobsituation damals nicht sehr rosig war, kam die Frage, was sie machen sollte? Da kam die Idee, Lakritz zu verkaufen, denn sie hatte selbst erfolglos nach gutem Lakritz in Berlin gesucht. 

Ein eigenes Fachgeschäft sprach sie als studierte BWLerin an, da sie unternehmerisch tätig werden und "die Zügel selbst in der Hand halten" konnte. 

1997 ging es dann los mit dem eigenen Geschäft in Kreuzberg. Über die Jahre bauten Ilse Böge und ihr Mann Beziehungen zu Produzenten in ganz Europa auf. Viele Recherereisen führten sie nach Skandinavien, Holland, Frankreich oder Italien. Laut Ilse Böge gibt es aber leider nur noch sehr wenige kleine Manufakturen, die Lakritz handwerklich und traditionell herstellen. In den meisten Ländern (wie auch Deutschland) gibt es fast nur noch industrielle Produktionen. 

"Das sagt natürlich etwas über die Wertschätzung aus", so Ilse Böge. Kein Wunder, dass es in Ländern wie Frankreich und Italien, in denen die Esskultur generell mehr geschätzt wird, noch einige handwerklich und traditionell arbeitende Hersteller gibt. 

Am Anfang mussten die beiden Geschäftsleute viel Aufklärungsarbeit leisten, um zu zeigen, dass die Lakritzwelt viel vielfältiger als die Haribo-Schnecken ist. Vielfalt ist nicht untertrieben, denn in ihrem Fachgeschäft begrüßen uns ca. 500 verschiedene Lakritz-Produkte. Neben Lakritz-Süßigkeiten in allen möglichen Formen und Farben finden wir auch Lakritz-Chips, Lakritz-Tee, Lakritz-Schnaps, Lakritz-Grappa und ein Lakritz-Kochbuch!

 

Was ist Lakritz? 

Grundlage der Lakritze ist der eingekochte und dadurch eingedickte Saft der geraspelten Süßholzwurzel. Pures Lakritz ist hart, herb und bitter.

Um daraus eine Süßigkeit zu mischen, benutzen die meisten Hersteller für die Basis Glucosesirup und Gelantine. Gelantine sorgt für die geleeartige Konsistenz, die besonders in der industriellen Herstellung fast unersetzlich ist. Es gibt aber auch einige vegane Varianten, die z.B. mit Reisstärke gebunden werden. 

 Süßholz die Pflanze für Lakritz und Heilmittel

Süßholz: Heilmittel mit großer Kraft

Ohne Süßholz also kein Lakritz! Die Süßholzpflanze wächst vornehmlich im Mittelmeerraum. Sie wird seit Jahrhunderten als Heilmittel vor allem gegen Bronchities oder Verdauungsbeschwerden benutzt. Süßholz enthält von Natur aus besondere Zucker (Saccharide), die eine 50-fach höhere Süßkraft als regulärer Zucker besitzen, aber keine Kalorien haben.

An sich wäre Süßholz somit eine wahre Wunderwaffe: Diätetisches Süßmittel und Heilmittel in einem! Leider treibt Süßholz aber den Blutdruck hoch (verantworlich ist der Stoff Glycyrrhizin), so dass man Süßholz nur in geringen Dosen zu sich nehmen sollte, bzw. Menschen, die an chronischem Bluthochdruck leiden, sollten komplett darauf verzichten. 

Wenn man übrigens von Süßholz als Heil- oder Süßmittel spricht, meint man immer die Wurzel, die als einziger Teil der Pflanze für die Weiterverarbeitung benutzt wird. 

Lakritz ist je nach Zusammensetzung also irgendwo zwischen Medizin und Süßigkeit anzusiedeln. Die meisten Lakritze im Supermarkt beinhalten aber nur ca. vier Prozent Lakritz, womit man sie getrost als Süßigkeit bezeichnen kann. Lakritz aus der Apotheke hat dagegen oft höhere Anteile des schwarzen Safts aus der Süßholzwurzel. Auch kadó führt Varianten, die hohe Anteile an reinem Lakritz beinhalten. Wir probieren sogar 100% Lakritz, was in der Tat leicht herb schmeckt. Mir gefällts aber sehr! 

Lakritz: Süß oder salzig

Genau wie bei Popcorn stellt sich bei Lakritzliebhabern die Frage: süß oder salzig? Bei kadó halten sich beide Lager die Waage. Laut Ilse Böge gibt es "die Tortenfans und die Bratkartoffeltypen."

Salzige Lakritz aus Nordeuropa

Das salzige Lakritz kommt vornehmlich aus nördlichen Ländern. Laut Ilse Böge liegt es daran, das Salz im Norden immer mehr als Geschmack bekannt gewesen sei, besonders aus der Haltbarmachung von Speisen im Winter. Ihre Theorie ist, dass sich die Salz-Vorliebe auch auf Lakritz abgefärbt hätte. In Südeuropa könne es dagegen als Beleidigung aufgenommen werden, wenn einem salziges Lakritz gereicht werde.  

Der salzige Geschmack hält die Skandinavier aber nicht davon ab, Lakritz auch mit Schokolade zu mischen. Diese Variante ist z.B. besonders in Island beliebt.

Den Salzgeschmack im Lakritz kann man entweder mit klassischem Kochsalz (Natriumchlorid) oder mit Salmiak erzeugen. Oft wird das Salz außen auf die Lakritzmischung gestreut. 

Was ist Salmiak? 

Salmiak ist ein spezielles Steinsalz (Ammoniumchlorid, aus der Familie der Salzsäure), das mittlerweile auch synthetisch hergestellt wird. Salmiak sorgt neben dem salzigen auch für einen scharfen Geschmack. Genau wie bei normalem Kochsalz sollte man auch beim Salmiak auf die eingenommene Menge achten. 

Südeuropäische Lakritz

In Südeuropa verzichtet man auf jegliches Salz. Traditionell arbeitende Produzenten achten auch darauf, nicht einfach klebrig süße, sondern sehr aromatische Lakritzmischungen herzustellen, die oft ein wenig härter in der Konsistenz sind. Dafür sorgt u.a. eine spezielle Zutat: das Gummi arabicum. Das hochwertige und geschmacklose Baumharz vom Akazienbaum sorgt für die besondere Konsistenz. Zudem ist der Lakritzgehalt bei vielen Mischungen aus traditionellen Manufakturen wesentlich höher (oft bei ca. acht Prozent).

kadó führt zum Beispiel Lakritz von Amarelli, der wohl ältesten immer noch operierenden und in Familienbesitz stehenden Manufaktur, die seit 1731 pures Lakritz herstellt und in kleinen hübschen Metalldöschen vertreibt.

Jörn Gutowski mit Ilse Böge im kado Geschäft

Die Herstellung von Lakritz

Lakritz herzustellen erfordert zwar nur fünf bis sechs Zutaten, aber die Mischung bzw. der Kochprozess macht den Unterschied. Ilse Böge vergleicht es mit Backen: "Mit den gleichen sechs Zutaten mache ich entweder einen Eierkuchen, einen Blätterteig oder eine Mürbeteig." 

Für die Produktion braucht es viel Knowhow und die richtigen Gerätschaften. Es ist vielleicht noch recht einfach eine karamellige-zähe Konsistenz (die Toffeevariante) hinzubekommen, aber alles andere ist schwierig. Auch die richtigen Rezepturen für die Mischungen zu entwickeln, sei laut Ils Böge nicht so einfach. Man muss den richtigen Partner für das Lakritz finden. Eine traditionelle Mischung sei laut Böge zum Beispiel Veilchen.  

 

Der Geschmack von Lakritz

Wie eingangs geschildert, schmeckt reines Lakritz herb und bitter. Mit der richtigen Rezeptur versucht der Hersteller daraus nun ein rundes Geschmacksbild zu entwickeln. Ein gutes Lakritz macht für Ilse Böge folgendes aus: "Ein gutes Lakritz besitzt immer einen guten Nachgeschmack. Es sollte nicht zu süß, nicht zu salzig sein. Die Rezeptur sollte so gut sein, dass der Geschmack auch nach Jahren nicht langweilig wird."

Gemeinsam mit Ilse Böge probieren wir verschiedene Varianten, von herb über salzig bis sehr fruchtig-süß (z.B. mit Johannisbeersirup).

 

Geräuchertes Lakritz

Neben eher herkömmlichen Sorten probieren wir auch experimentelle Sorten wie geräuchertes Lakritz aus Finnland: Es schmeckt im ersten Moment nach Schinken. Dann kommt immer mehr das ebenfalls enthaltende Menthol durch, was für mich leider überhaupt nicht zum Raucharoma passt. Aus meiner Sicht also ein nicht ganz aufgegangenes Experiment.

 

Mit Lakritz kochen

Dabei ist der Ansatz mit Lakritz zu experimentieren sehr gut. Denn Lakritz ist weit mehr als eine Süßigkeit: Es kann vielmehr eine aromatischer Zutat für verschiedenste Gerichte und Foodpairings sein. Ilse Böge verkauft z.B. Lakritzgranulat und akritzsirup, die sich beide sehr gut für die Verwendung in der Küche eignen. Als Zutat für ein Dressing mit Tomate und Büffelmozarella oder als Teil einer Panade für Fleisch oder Fisch sei Lakritz vorzüglich geeignet so Böge. Lakritz passe aber auch sehr gut zu Käse oder besonders zu Gerichten mit Anis und/oder Fenchel - denn mit beiden ist die Süßholzwurzel verwandt! 

 

Mein Fazit:

Lakritz ist in der Tat extrem vielfältig! Je nach Region gibt es ganz eigene Sorten, die zeigen, welche Tradition und Bedeutung Lakritz hat(te). Geschmacklich waren die Varianten aus Südeuropa für mich dabei eine Neuentdeckung. Ich finde immer mehr Gefallen am leicht herben Geschmack, der mir vorher nicht so bekannt bzw. bewusst war. 

Auch werde ich auf jeden Fall mit Lakritz in der Küche experimentieren. Ich sehe eine Lammgericht mit Lakritz und Fenchel vor meinem inneren Auge... Das Lakritz-Granulat dafür habe ich mir bereits gekauft!

In diesem Sinne bleibt neugierig

Euer
Jörn Gutowski
Gründer, TRY FOODS