Was ist ein gutes Brot?

Qualität im Brot

Brot ist das Grundnahrungsmittel schlechthin. Und Brot ist ein deutsche Kulturgut. Kein anderes Land der Welt besitzt eine ähnliche Vielfalt an Brotsorten (ca. 300) und eine solch reiche Backtradition.

Somit wird es Zeit, dass ich mich näher mit dem Thema Brot beschäftige. Ich esse sehr gern gutes Brot, aber bisher habe ich mich - abgesehen von einigen Versuchen mit fertigen Backmischungen - nicht ans Brotbacken getraut. Ich besaß bisher auch nur ein gefährliches Halbwissen, was ein gutes Brot auszeichnet, was Sauerteig ist und wo genau der Unterschied zwischen industriellem und handwerklichem Brotbacken liegt.

Ein Podcast über das Thema Brot mit dem Berliner Bäcker Florian Domberger und die dazugehörige Recherche (sehr zu empfehlen für einen kurzen aber äußerst interessanten Einblick: die Folge "Luft" aus dem Vierteiler Kochen von Michael Pollan auf Netflix) sorgen dafür, dass ich besser Bescheid weiß und vor allem motiviert bin, mich noch mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Denn Brot fasziniert! Brot ist nicht gleich Brot.

Gerade in Berlin gibt es Hunderte oder Tausende (Auf-)Backshops, die leider verdammt schlechtes Brot verkaufen. Ich will deshalb einen kleinen Einblick geben, was ich bisher über das Thema gelernt habe. Dies ist ganz klar ein "Work in Progress". Ich stehe gerade erst am Anfang meiner Entdeckungsreise in die Welt des Brots.

 

Was zeichnet gutes Brot aus?

"Ein gutes Brot muss allein stehen können." 

Dies ist einer der prägnanten Sätze, die Florian Domberger während unseres Interviews in seiner Bäckerei mit mir teilt. Natürlich ist die Frage nach der Definition von "gutem" Brot immer zutiefst subjektiv. Für mich macht die Erklärung, dass ein gutes Brot für sich stehen sollte, absolut Sinn. Wenn ich die Getreidesorte oder den Sauerteig deutlich herausschmecke, dann erzählt mir das Brot, woraus es gemacht wird. Wenn das Brot mehr ist als einfach nur ein geschmackfreies Transportmittel für Käse, Wurst oder Marmelade, dann habe ich ein Brot, dass auch pur eine Daseinsberechtigung besitzt. Und wenn ich es schaffe, ein Geschmackserlebnis aus nur drei Zutaten, nämlich Mehl, Wasser und Salz, zu schaffen, dann habe ich meiner Meinung nach ein gutes Brot. 

Brot aus nur drei Zutaten zu bakcen ist ein Wunder der Transformation. Es ist tatsächlich schwer vorstellbar, wenn man vor sich einen kleinen Haufen Mehl, eine Schüssel Wasser und eine Prise Salz sieht, dass aus so etwas Profanen ein so leckeres, wunderbares Lebensmittel werden kann. Ein Brot, dass außen knusprig und innen weich und saftig ist. Ein Brot, das, wenn man es aufbricht, einen wunderbares Aroma verbreitet. Solches Brot erhält man nur durch handwerkliches Backen!

 

Florian Domberger

 

Was ist der Unterschied zwischen handwerklichem und industriellen Backen

Wer glaubt, dass jede Backstube, die traditionell aussieht auch traditionell backt, dem muss ich leider enttäuschen. Laut Florian Domberg (und laut der ZDF-Dokumentation "Mythos Brot") gibt es nur einige Dutzend Bäckereien in Deutschland, die konsequent traditionell arbeiten. 

Was heißt "traditionell" im Backkontext?

Traditionell heißt, dass der Bäcker nur mit den oben beschriebenen Zutaten  (Mehl, Wasser und Salz) ein Grundbrot backt. Gewürze oder Kräuter für besondere Brotarten sind natürlich erlaubt. Diese Bäcker verzichten sowohl auf den Einsatz von Zuchthefen als auch auf andere Zusatzmittel (wie z.B. Stabilisatoren etc.). Auch Maschinen werden nur "dosiert" eingesetzt. Im Mittelpunkt steht das Handwerk des Bäckers. 

 

Was ist Sauerteig?

Der wichtigste "Mitarbeiter" für Bäcker,die so konsquent handwerklich arbeiten, ist der Sauerteig.

Sauerteig entsteht ganz natürlich und von selbst, wenn man Mehl mit Wasser mischt und offen stehen lässt. Hefesporen und Milchsäurebakterien aus der Luft nisten sich in der Mischung ein und verstoffwechseln verschiedene Inhaltsstoffe im Mehlwassergemisch.

Die Hefe sorgt unter anderem dafür, dass das Volumen zunimmt und die Milchsäurebakterien machen das Gemisch haltbarer und bauen Giftstoffe ab, die im Korn (und somit auch im Mehl) enthalten sind. Zudem sorgen beide gemeinsam dafür, dass sich neue Aromenstoffe im Gemisch bilden können. Wenn dieser nicht so leicht zu kontrollierende Prozess erfolgreich für den Bäcker verläuft, hat man als Resultat einen besser bekömmlichen, aromatischeren Teig mit einer fürs Brotbacken wunderbaren Konsistenz. 

Sauerteig ist aber eine Diva. Er lebt und entwickelt sich je nach Umgebung unterschiedlich. Florian Domberger beschreibt ihn wie folgt:

"Sauerteig muss ständig überwacht werden. Die Entwicklung des Sauerteigs ist nicht immer vorhersehbar."

Deshalb braucht es Menschen, die den Sauerteig in seiner Entwicklung begleiten. Dieser sehr individuelle und menschenintensive Prozess eignet sich nicht für industrielle Großbäckereien.

 

Brotteig kneten bei Domberger

 

Wie arbeiten industrielle Bäckereien?

In einer Großbäckerei geht es zu wie in jeder Fabrik. Man muss standardisierte Prozesse schaffen. Beim Brotbacken braucht man für die Maschinen immer haargenau den gleichen Teig, der exakt zu einem vordefinierten Zeitpunkt eine bestimmte Viskosität besitzt, damit er korrekt verarbeitet werden kann. 

Dies geht nicht mitSauerteig. Damit das Brot später trotzdem aufgeht und eine möglichst appetitliches Aussehen bekommt, werden unterschiedlichste Zusatzstoffe eingesetzt. 

Da in der industriellen Fertigung Zeit Geld ist, muss das Brot möglichst schnell fertig sein. Florian Domberger gibt jedem seiner Brote 24 Stunden Zeit, bis es fertig ist. So kann der Teig in Ruhe gehen und so kann das Brot durch die Fermentation bekömmlicher werden. 

 

Der Bösewicht Gluten

Beim Thema Bekömmlichkeit von Brot kommen wir schnell zum Thema Gluten. Immer mehr Menschen scheinen Probleme mit Gluten zu entwickeln. Während die Zahlen für Zölikaie (Allergie gegen Gluten) mit unter einem Prozent der deutschen Bevölkerung konstant bleibt, meinen einen wachsende Zahl von Menschen, dass sie unter einer Glutenunverträglichkeit litten. Diese gefühlte Unverträglichkeit konnte wissenschaftlich bisher aber nicht bewiesen werden. Vielmehr geht man davon aus, dass die Unverträglichkeit von Weizenprodukten andere Ursachen haben muss. Hierzu können unter anderem hochgezüchtete Weizensorten und die industrielle Herstellung von Backwaren zählen. 

Ich bin kein Wissenschaftler, aber diese Erklärung macht Sinn. Dazu passen auch die Erfahrungen, die ich sowohl von Menschen, die empfindlich auf herkömmliches Brot reagieren und auf Sauerteigbrote umgestiegen sind, als auch von Bäckern wie Florian Domberger gehört habe, die dieses Feedback auch von ihren Kunden bekommen. 

 

Wie erkenne ich ein gutes Brot?

Für den Podcast bringe ich Florian Domberger verschiedene Brötchen mit. Er weiß nicht, woher die Brötchen sind bzw. was in ihnen enthalten ist. Gemeinsam probieren wir und ich bin erstaunt, wie gut Florian die Brötchen blind zuordnen kann. Hier sind einige Dinge, auf die man achten kann, um ein gutes Brot zu erkennen. 

 Brötchen Verkostung

 

Der äußere Eindruck:

Brote bzw. Brötchen, die per Hand hergestellt werden, sehen nicht perfekt aus. Eine zu genau gearbeitete äußere Form deutet immer auf eine Maschine hin. Die Brötchen von Florian werden oben auch nicht eingeschnitten, sondern der Teig wird so übereinander geschlagen, dass sich oben ein Falte bildet. Diese kann man leicht von einem Schnitt unterscheiden. Das industriell hergestellte Brötchen erkennt Florian anhand der sehr geleichmäßigen Form und des starken Glanzes. Dieser entsteht, wenn Brötchen mit Wasser besprüht werden. 

Der innere Eindruck:

Florian schneidet jedes Brötchen auf und riecht ausgiebig daran. Bei vielen Broten steht beim Geruch die Hefe im Vordergrund. Dies möchte der Sauerteigbäcker Domberger nicht riechen. Er ist eher auf leicht säuerliche Noten aus, die den Einsatz von Sauerteig nahelegen.

Dann schaut er sich die Porung an. Große Poren deuten auf einen gut gegangenen Teig hin (der mehr Zeit erhalten hat). Auch die Feuchtigkeit ist wichtig. Ist das innere leicht glitschig und saftig, was gewünscht ist, oder ist das Brot staub trocken? 

Last but not least wird probiert. Wie ist der geschmackliche Gesamteindruck? Kann das Brot/Brötchen geschmacklich "allein stehen" oder schreit es - wie die industrielle Schrippe - nach Belag, damit es genießbar ist?

 

Handwerk hat seinen Preis

Die Vorteile vom handwerklichen gebackenen Brot liegen auf der Hand. Ich glaube, dass die meisten Menschen auch eine höhere Meinung von diesem Brot gegenüber der industriellen Ware haben. Es ist ja auch kein Wunder, dass auch große Bäckereiketten und selbst Discounter versuchen, sich als Brothandwerker zu inszinieren und in ihren Werbebotschaften Begriffe aus der handwerklichen Brotbackkunst übernehmen. 

Allerdings teilen sich Wunschwelt und Realität leider an dem Punkt, wo es ans Portemonnaie geht. Denn der günstige Preis gewinnt halt meist. Nur wenn wir bereit sind, mehr Geld für gutes Brot auszugeben, wird sich etwas ändern. Nur dann werden Handwerksbäcker nicht mehr auf die Industrie schielen und versuchen sie zu kopieren. 

"Viele Handwerksbäcker versuchen nicht dem guten Handwerk nachzueifern, sondern der Industrie. Damit sind sie auf verlorenem Posten, denn den Kampf kann man nicht gewinnen." (Florian Domberger)

Es liegt wie so oft an uns Konsumenten, diesem faszinierenden Grundnahrungsmittel den Wert (zurück-) zu geben, den es verdientermaßen haben sollte. 

Wer mehr zu dem Thema Brot erfahren möchte, der sollte in meinen Podcast mit Florian Domberger reinhören.

 

In diesem Sinne bleibt neugierig

Euer
Jörn Gutowski