Probiererlebnis: Schokolade für Abenteuerlustige

Nennen Sie es Voreingenommenheit oder Naivität, aber Litauen und Schokoladenmanufaktur brachte ich bis dato nicht in einem Satz zusammen.

Umso erstaunter war ich, als vor einigen Monaten eine Mail aus Litauen in meiner Inbox landete, in der sich eine litauische Schokoladenmanufaktur bei mir vorstellte. Vielleicht nennt sich die Firma deshalb auch "Chocolate Naive". Denn als litauischer Produzent hat man keine leichte Ausgangssituation, auf dem internationalen Schokoladenmarkt Fuß zu fassen.

Vielleicht nennt sich die Manufaktur aber auch deshalb "Naive", weil Ihr Gründer Domantas Užpalis ein Quereinsteiger ist, der vor der Gründung der Manufaktur im Finanzbereich arbeitete, wie er mir gestern bei unserem Gespräch auf der Biofach-Messe, der weltweit größten Messe für Bio-Produkte in Nürnberg, erzählte. 

Fassen wir zusammen: Da versucht jemand eine hochwertige internationale Schokolade zu lancieren, kommt aus einem Land, das kein Mensch mit Schokolade in Verbindung bringt und hat dazu keine Ausbildung oder keinen Background im Bereich Schokolade. Wie naiv ist das denn bitte?

Extravagante Schokolade mit Steinpilzen

Ich antwortete trotzdem auf die Mail aus Litauen, da mir sofort das Design der Marke gefiel und weil ich angefixt von dem Gedanken war, Schokolade mit getrockneten Steinpilzen (Porcini) zu probieren. Denn das ist wohl die ausgefallenste Sorte im Sortiment von "Chocolate Naive".

Und nachdem der wunderschöne kleine Karton, die sogenannte Chocolatier-Encyclopedia (oder Schokoladen-Lexikon), per Post eintraf und einige Monate in meinem Regal stand, kam ich kürzlich endlich dazu, die fünf Schokoladen zu probieren.

Normalerweise stelle ich bei meinen Blogbeiträgen de verkosteten Produkte nacheinander vor, wobei das Highlight aus dramaturgischen Gründen zum Schluss kommt, aber ich kann nicht anders, als gleich auszuposaunen, dass ich die Schokolade mit Steinpilzen LIEBE!

Die dunkle Schokolade (62% Kakao) ist perfekt ausgewählt. Sie ist nicht zu süß und nicht zu bitter und harmoniert wunderbar mit dem waldigen, erdigen Aroma des Steinpilzes. Und dann der Abgang: der Pilzgeschmack hallt angenehm lange im Mund nach: ein himmlisches Umami-Gefühl! Die Schokolade ist ungelogen eines der besten Geschmackserlebnisse, das ich seit längerem erfahren durfte. 

Klar musste ich Domantas fragen, wie man auf die verrückte Idee kommt, Pilze mit Schokolade zu mischen. Er sagte, dass er sich mit der Zusammensetzung verschiedener Lebensmittel beschäftigt habe und ihm dabei aufgefallen sei, dass Steinpilze viele Gemeinsamkeiten mit Haselnüssen hätten. Diese sind ja beliebte Kombinationspartner für Schokolade. Man denke nur an Gianduia bzw. dem industriellen Counterpart, Nutella. Domantas benutzt für die Schokolade litauische Steinpilze, die gefriergetrocknet, mit der Schokoladenmasse vermengt und dann gemeinsam fein gemahlen werden.

Die Schokolade polarisiert. Laut Domantas lieben oder hassen die Kunden diese. Da ich zur ersten Gruppe gehöre, kann ich jedem nur empfehlen, das geschmackliche Abenteuer einzugehen. Heute Abend werde ich die Schokolade im Rahmen meines TRY Schokoladen Tastings in der Markthalle IX probieren lassen und bin sehr auf die Reaktionen gespannt!

Die weiteren ausgefallenen Schokoladen im Test

Ich möchte Ihnen auch die anderen vier verkosteten Schokoladen nicht unterschlagen. Denn jede von Ihnen ist charakteristisch und sehr besonders. Generell kann man zu den Schokoladen von "Chocolate Naive" sagen, dass die Bohnen und weiteren Zutaten extrem fein gemahlen sind, so dass das Mundgefühl der Schokolade sehr cremig ist. Ich persönlich mag das sehr.

 

Neben der Pilz-Schokolade haben mir besonders die Beeren- und die Honigvarianten gefallen. Die Schokolade mit Beeren (65% Kakaogehalt) ist fruchtig und erfrischend. Das deutliche Beerenaroma dominiert aber zu sehr und lässt den Kakaogeschmack in den Hintergrund treten. Für mich hätte letzterer einen Tick stärker sein können, um besser mit dem Fruchtaroma zu harmonieren.

Die Schokolade mit Honig ist die mit dem höchsten Kakaogehalt (68%). Hier ist die Verbindung aus süßem Honiggeschmack und leicht bitterer Note des Kakaos wieder perfekt getroffen. Der verwendete Honig ist ein aromatischer Waldhonig, der geschmacklich viel mehr im Petto als nur Süße hat. 

Die Varianten Karamell (47% Kakaogehalt) und Hopfen (67% Kakao) sind ebenfalls lecker, aber fielen ein wenig von den anderen aus meiner Sicht ab. Für mich persönlich ist die Karamell-Variante etwas zu süß. Der leicht salzige Karamellgeschmack ist aber trotzdem sehr fein und sehr gut gemacht.

Die Hopfen-Schokolade wiederum war mir etwas zu bitter. Im Mund fand ich sie noch lecker und geschmacklich sehr interessant, aber im Nachgang blieb mir eine etwas zu bittere Note hängen. Ich kann mir diese Schokolade aber wunderbar mit einem malzigen Stout-Bier vorstellen. Das Bier würde wahrscheinlich diesen bitteren Nachhall einfach wegspülen.

Die Kritik an den Schokoladen ist auf einem sehr hohem Niveau. Alle fünf Schokoladen sind sehr gut verarbeitet und mit viel Abenteuerlust kreiert. Lobenswert ist auch, dass Chocolate Naive das "Bean-to-Bar" Verfahren anwendet, also Kakaobohnen einkauft und diese komplett selbst bis zu fertigen Schokolade verarbeitet. Die meisten Chocolatiers kaufen fertige Kuvertüre ein, mischen diese nur noch mit anderen Zutaten und gießen ihre Tafeln.

Vielleicht war Domantas bei der Gründung seiner Manufaktur anfangs naiv, aber er macht einfach sehr gute Schokoladen. Wenn man dazu auch noch ein sehr schönes Design hat, dann schafft man es auch als litauischer Quereinsteiger auf dem internationalen Schokoladenmarkt. Auf jeden Fall sind seine Schokoladen bereits in renommierten Geschäften wie z.B. dem KaDeWe in Berlin, Selfridges in England oder Dean & Deluca in den USA erhältlich.

Wer nun Lust auf die Schokoladen bekommen hat und nicht in der Nähe der oben genannten Geschäfte weilt, kann diese auch im Webshop von Chocolate Naive bestellen.